Liebe Leute,

vielleicht denkt Ihr ja darüber nach, einen von uns bei Euch aufzunehmen, oder Ihr habt Euch bereits entschieden. Das finde ich gut. Damit sich Hunde und Menschen besser verstehen, schreibe ich auf, wie sich so ein Einzug in eine Familie für uns Hunde anfühlt.

Von meinen KollegInnen im Vermittlungsteam habe ich erfahren, dass die Leute immer fragen, ob wir stubenrein sind und ordentlich an der Leine gehen. Ich bitte Euch!!! Wie denn??? Im Institut ist niemand mit uns spazieren gegangen, wir wussten damals gar nicht, was das ist. Und Halsband und Leine kannten wir auch nicht, sie haben uns umhergetragen, oder, wenn die Wege länger waren, in Bollerwagen transportiert.

 

Die meisten Pfleger waren nett, aber so viel hatten wir nicht mit ihnen zu tun. Wir waren unter uns, zwei bis drei von uns teilten sich einen Zwinger, so hatten wir Gesellschaft. Wir haben nicht darüber nachgedacht, ob das ein gutes oder schlechtes Hundeleben ist, wir kannten es ja nicht anders. Selbstverständlich hatten wir keinen Einblick in die Akten und wussten nicht, ob und wann wir entlassen werden. Die Zeit zog ins Land, ein Tag war wie der andere.

Und dann kommt irgendwann der Tag, an dem sich alles ändert. Es beginnt damit, dass das Frühstück ausfällt, und das ist wirklich kein Anlass zur Freude! Dann kommen Leute, die wir noch nie gesehen haben, und verfrachten uns in Transportkisten. Die Kisten wiederum werden in mobile Blechdinger verladen, dann fängt es an zu brummen und zu schaukeln. Wir wissen nicht, was das alles zu bedeuten hat, die Transportkisten haben keine Panoramafenster und wir sehen fast nichts. Ihr könnt Euch vielleicht vorstellen, dass das ziemlich unheimlich ist und vielen von uns wird schlecht - von dem Geschaukel und vor Angst.

toni5Nach etlichen, zähen Stunden wird es still und das Geschaukel hört auf. Wieder kommen Menschen, die wir nicht kennen, und nehmen die Transportkiste, in der wir hocken, aus dem Blechding und tragen sie in ein Haus. Dann wird die Transportkiste geöffnet. Die meisten von uns bleiben erstmal, wo sie sind, einige sind besonders neugierig und trauen sich, die Kiste zu verlassen.

Wo sind wir denn hier gelandet? Die Zimmer sind ungewöhnlich groß und vollgestellt mit seltsamen Dingen. Es riecht ungewöhnlich. Vorsichtig beginnen wir, uns umzuschauen. Für die meisten der Neuankömmlinge steht Futter bereit, aber vielen von uns sind die Ereignisse auf den Magen geschlagen, sodass an Fressen erstmal gar nicht zu denken ist. Unbekannte Menschen starren uns an. Was erwarten sie von uns? Sie reden auf uns ein und geben sich große Mühe, uns mit Leckerchen von ihren friedlichen Absichten zu überzeugen. Aber uns drückt die Blase und das hat gerade Vorrang. Die männlichen Kollegen markieren an alle möglichen Ecken, die weiblichen lassen es einfach laufen und erfahren so, wie sich ein Teppich unter Einwirkung von Urin verändert. Die immer noch unbekannten Menschen tragen es mit Fassung und holen Küchenrolle.

Wir haben nicht viel Zeit, uns umzusehen, bevor wir angezogen werden. Geschirr und Halsband stehen auf dem Programm. Es fühlt sich überhaupt nicht gut an. An dieser Konstruktion wird nun auch noch ein langes Band befestigt. Derart verzurrt sollen wir nun das Haus verlassen und "spazieren gehen". Die meisten von uns tun das nicht freiwillig, also werden wir nach draußen getragen und auf die Wiese gestellt. Wieder neue Gerüche und Geräusche. Wir stehen wie angewurzelt da und harren der Dinge, die kommen. Die neuen Menschen sind auch da. Sie halten das Band fest und reden auf uns ein. Vielleicht gehen wir ein paar Schritte mit, aber eigentlich sind wir todmüde und müssen sehr viele neue Dinge verarbeiten.

Endlich zurück im Haus zeigen die Menschen uns unser Bett. So etwas kennen wir nicht, deshalb ziehen viele von uns auch anfangs harte Unterlagen vor. Egal, wo wir uns hinlegen, an Schlaf ist gar nicht zu denken. Alles, was uns vertraut war, ist weg. So oder so ähnlich müssen sich Menschen fühlen, wenn sie sich plötzlich auf dem Mond befinden, ohne allerdings vorher Astronaut zu werden.

Wir sind anpassungsfähige Kerlchen und wir schaffen das! Wir werden uns an Eure Abläufe gewöhnen und die Vorteile der menschlichen Fürsorge schätzen lernen. Wir möchten nur ein kleines bisschen Verständnis dafür, dass das nicht innerhalb von ein paar Stunden passiert!

Bis zum nächsten Mal, Euer Toni

 

Tonis Welt

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